Die Energiekrise ist aktuell in aller Munde. Ute Dülfer, Bürgermeisterin der Energiestadt Lichtenau, und Georg Wigge, Geschäftsführer der Stadtwerke Lichtenau GmbH, erzählen im Interview, was dies für die Bürgerinnen und Bürger und die Energiestadt Lichtenau bedeutet.

 

Frau Dülfer, viele Menschen beschäftigen sich aktuell mit dem Thema Versorgungssicherheit und den steigenden Energiepreisen. Was raten Sie den Bürgerinnen und Bürgern in dieser Situation ganz generell?

Langfristig gesehen ist eine Umrüstung auf erneuerbare Energien im privaten Bereich eine gute Idee, um möglichst unabhängig zu sein. Dies ist aber auf kurze Sicht für viele Menschen nicht möglich, zum Teil auch auf Grund der erhöhten Nachfrage bei entsprechenden Fachfirmen. Das erste und beste Mittel der Wahl bleibt daher aktuell, soviel Energie wie möglich einzusparen. Dies schont nicht nur das Klima, sondern vor allem auch den Geldbeutel. Schon einfache Maßnahmen können in der Masse zu großen Effekten führen.

 

Herr Wigge, Sie sind als Geschäftsführer der Stadtwerke Lichtenau GmbH besonders nah dran am Thema Versorgung. Worauf müssen sich Kunden in nächster Zeit einstellen?

Besonders betroffen ist der Gasmarkt aufgrund der Drosselung der russischen Gaslieferungen. Unser Kooperationspartner, die Stadtwerke Lemgo GmbH, muss ab dem 1. Oktober gleich drei Umlagen für Erdgas erheben:  Die neue Gasbeschaffungsumlage startet mit 2,419 ct/kWh netto. Sie unterstützt Importeure, die Gas jetzt zu Höchstpreisen auf dem Weltmarkt beschaffen müssen. Hinzu kommt die Gasspeicher- und die Konvertierungsumlage mit 0,097 ct/kWh netto, bei beiden Umlagen könnte die nächste Anpassung schon zum 1. Januar 2023 erfolgen. Zum 1. Oktober wird auch die Bilanzierungsumlage erhoben, die für Haushaltskunden 0,57 Ct/kWh beträgt und für ein Jahr festgelegt wird. Ein Lichtblick ist da die Senkung der Mehrwertsteuer bei Gas von 19 % auf 7 %. So werden die Belastungen für die Haushalte etwas abgefedert.

 

Warum steigt der Gaspreis zum Januar 2023 so stark an?

Unser Partner in Lemgo hat für unser Produkt LichtenauGas schon vor der Krise die notwendigen Gasmengen für diesen Winter zu günstigeren Preisen beschafft. 20 % mussten aber zum fast elffachen Preis nachgeordert werden – auch für Neukunden, die aufgefangen wurden, weil sie von Insolvenzen anderer Energieversorger betroffen waren. Diese Nachorder schlägt enorm ins Gewicht. Rechnen wir noch die staatlichen Umlagen mit ein, wird das Gas 2023 deutlich teurer als bisher: Alles zusammen kann eine Mehrbelastung von über 2 000 Euro für einen durchschnittlichen Haushalt im Jahr bedeuten.

 

Wovon gehen Sie bei den Stromkosten für Ihre Kundinnen und Kunden aus?

Beim LichtenauStrom fallen die Anpassungen nicht so sehr ins Gewicht.

 

Lichtenau ist stark in der Stromerzeugung. Ist es dann eine gute Idee mit Strom zu heizen?

Heizen mit Heizlüftern ist keine gute Idee. Selbst mit der Verteuerung kostet eine Kilowattstunde Erdgas immer noch weniger als eine Kilowattstunde Strom. Mit Gas zu heizen, bleibt also im Vergleich günstiger und entlastet zugleich das Stromnetz.

 

Frau Dülfer, Lichtenau trägt seit einiger Zeit auch offiziell den Titel „Energiestadt“. Was bedeutet die Energiekrise für die Kommune und wie wird damit umgegangen?

Als Energiestadt haben wir in vielen Bereichen auch schon vor der Energiekrise begonnen uns möglichst nachhaltig und energieeffizient aufzustellen. Bestes Beispiel dafür ist unser Projekt „Klima-Campus“, das sich der Fertigstellung nähert: Hier wurde unser bisher größter Verbraucher mit den höchsten Einsparpotentialen, die Realschule Lichtenau, von Grund auf energetisch saniert. Allein die Sanierung der Außenhülle ergibt eine überdurchschnittliche Verbesserung des Energiestandards, erzielt werden 30% unter den Forderungen der Energieeinsparverordnung. Natürlich gibt es im Stadtgebiet aber noch weitere Einsparpotentiale. Diese werden sukzessive und priorisiert angegangen – Veränderung braucht auch immer die nötigen Ressourcen und somit Zeit. Ein interner Aktionsplan mit kurz- und langfristigen Maßnahmen unterstützt uns dabei. Einige der Maßnahmen konnten wir bereits umsetzen und weitere wurden angestoßen.

 

Herr Wigge, auch Unternehmen sind durch die Energiekrise betroffen. Wie sehen die unternehmerischen Herausforderungen bei den Stadtwerken aus?

Wir sind relativ breit aufgestellt und haben unsere bisherigen Ziele erreicht. Allerdings müssen auch wir schauen, wie wir mit den höheren Energiekosten und den allgemeinen Kostensteigerungen durch die Inflation umgehen. Weiterhin rechnen wir mit Zahlungsausfällen bei unseren Kunden, was wiederum Auswirkungen auf unsere Liquidität haben wird. Darauf müssen wir uns vorbereiten.

Gleichzeitig haben aber auch wir in der Vergangenheit mit dem Umdenken angefangen und betreiben sowohl 6 Windenergieanlagen wie auch mehrere Photovoltaikanlagen, die Strom für den allgemeinen Markt produzieren und uns in Zeiten wie diesen auch finanziell ein Stück stützen können.

 

Frau Dülfer, Herr Wigge: Wie können wir alle abschließend zum Energiesparen beitragen?

Georg Wigge: Viele Maßnahmen zum Energiesparen sind bereits bekannt, doch wichtig ist nun eine langfristige Umstellung des Nutzungs- und Konsumverhaltens im Alltag. Dieses Energieproblem ist nicht morgen vorbei. Wer sich informieren möchte, findet viele Tipps auf der Seite www.klimaschutz-lemgo.de unseres Kooperationspartners. Dort findet sich auch ein Link zur Webseite der ASEW, dem Effizienz-Netzwerk der Stadtwerke.

Ute Dülfer:Auch an unsere Institutionen, das Gewerbe und die Vereine im Stadtgebiet möchte ich appellieren zu schauen, wo sich Energie einsparen lässt. Sicher hat da jede Person eigene Ideen, wo noch gespart werden kann – jede Kilowattstunde zählt. Vielleicht lassen sich Synergien in neuen Belegungsplänen finden, sodass weniger geheizt werden muss. Auch Verbraucher wie z.B. Kühlschränke oder zusätzliche Beleuchtung sollten in der aktuellen Situation auf Notwendigkeit geprüft werden. Wichtig ist, dass alle ihren Beitrag im Rahmen ihrer Möglichkeiten leistet.